Marathon unter 4 Stunden
Laufberichte

Mein erster Marathon unter 4 Stunden

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Gestern stand ich beim Bienwald-Marathon in Kandel an der Startlinie. Mein Ziel war den Marathon unter 4 Stunden zu finishen. Ob es sich bei der Artikel-Überschrift um einen billigen Linkbait handelt oder ob ich dieses Ziel tatsächlich erreicht habe, erfahrt ihr in diesem Laufbericht.

Mein großes Ziel: Marathon unter 4 Stunden

Vor 4 Jahren, im Mai 2018, lief ich in Mannheim meinen ersten Marathon. Damals bereitete ich mich mit einem 4-Stunden-Trainingsplan von Herbert Steffny darauf vor. Der Start war zwar abends um 18 Uhr, es herrschte aber trotzdem eine Temperatur von über 25 ° Celsius. Deshalb und wegen meiner Unerfahrenheit beim Marathon verfehlte ich mein Ziel deutlich. Ich brauchte für die 42,195 Kilometer mehr als 4,5 Stunden. Seitdem war ich bei 9 weiteren Marathons am Start. So unterschiedlich diese auch für mich verliefen. Mein Ziel den Marathon unter 4 Stunden zu finishen, habe ich nicht aus den Augen verloren.

Wetter & Outfit

Laut der Wettervorhersage für Sonntag sollte es trocken und windstill sein. Außerdem wurde für den Start um 10 Uhr eine Temperatur von 7° Celsius angekündigt. Bei meinem geplanten Zieleinlauf gegen 14 Uhr sollte es 12° warm werden. Das hörte sich im ersten Moment nicht schlecht an. Für mich stellte sich allerdings die Frage in welchem Outfit ich laufen sollte. Bei 7° würde ich normalerweise ein langes Laufshirt, eine winddichte Laufjacke, eine lange Tight und Laufhandschuhe tragen. Bei 12° würde ich dagegen in kurz-kurz laufen, also in einem kurzärmligen Shirt und einer kurzen Laufhose.

Letztendlich entschied ich mich für eine Zwischenlösung. Ich trug ein Shirt mit sehr langen Ärmeln, die ich anfangs über die Finger ziehen konnte. Wenn es später wärmer werden würde, könnte ich die Ärmel nach oben krempeln. Als zweites Kleidungsstück entschied ich mich für eine 3/4-Tight, die allerdings sehr kurz ausfällt und mir nur knapp über die Knie reicht. Die Hose hat hinten eine etwas größere Tasche mit Reißverschluss in der ich einige Gels deponieren konnte. Auf die Laufjacke und die Handschuhe verzichtete ich.

Meine Renntaktik

Bei meinen bisherigen Marathons war es meistens so, dass ich die ersten 25-27 Kilometer das geplante Tempo von 5:40 Minuten einhalten konnte. Danach wurde ich aber langsamer. Zuerst waren es immer nur wenige Sekunden, um die ich die geplante Laufzeit überschritt. Spätestens ab Kilometer 33 brauchte ich mehr als 6 Minuten pro Kilometer. Diesmal sollte mir das nicht mehr passieren.

Beim Bienwald-Marathon gab es ein Team mit Pacemakern. 2 davon waren für die Unterschreitung der 4 Stunden-Marke eingeplant. Ihnen wollte ich mich anvertrauen um mein Ziel – den Marathon unter 4 Stunden – zu erreichen.

Der Rennverlauf

Der Start

Beim Start sah ich nur einen Pacemaker für die 4 Stunden-Zeit. Ich stellte mich ungefähr 50 Meter hinter ihm auf. Nach dem Startsignal achtete ich darauf, dass ich erst eine halbe Minute nach ihm über die Startlinie lief. Dadurch hatte ich noch etwas Spielraum falls es beim Zieleinlauf knapp werden würde. Den 1. Kilometer nutzte ich um den Abstand zum Pacemaker zu verkürzen. Dadurch musste ich zwar etwas schneller als geplant loslaufen, ich wollte aber nicht zu weit weg sein.

Nachdem ich ihn eingeholt hatte, erzielte mir Volker – so hieß der Pacemaker – dass am Samstag 4 seiner Kollegen kurzfristig abgesagt hätten. Deshalb kam der zweite Pacemaker für die 4 Stunden-Marke bei einem anderen Renntempo zum Einsatz. Mir war das nicht so wichtig. Wenn nichts schief ging, reichte ein Pacemaker ja vollkommen aus.

Die ersten Kilometer bildete sich eine Gruppe von ca. 10 Läufern, die auch in der Nähe des Pacemakers liefen. Dieser lief ziemlich konstant eine Zeit von um die 5:30 Minuten/Kilometer. Beim ersten Verpflegungspunkt wusste ich warum er etwas schneller als geplant lief. Er ließ sich Zeit genug um seinen Becher mit Wasser in Ruhe im Stehen zu trinken. Danach ging er sogar noch einige Schritte um einen Zusammenprall mit anderen Läufern zu vermeiden.

Um mich etwas abzulenken, begann ich ein Gespräch mit einem älteren Läufer, der schon einige Zeit neben mir herlief. Er erzählte mir, dass er 73 Jahre alt sei und bereits 80 Marathons gelaufen ist. Er lief nur den Halbmarathon und wollte diesen in weniger als 2:07 Stunden finishen um sich für seinen 5. New York-Marathon zu qualifizieren. Wie ich später in der Ergebnisliste nachlesen konnte, brauchte er 2:09 Stunden und verfehlte damit die Quali-Zeit knapp.

Bei Laufkilometer 12 bogen die „Faulpelze“ ab. So nannte ein Mitläufer die Halbmarathonläufer, die nun in Richtung Ziel liefen. Wir dagegen blieben auf der Landstraße und hielten dank Volker das geplante Renntempo ein. Nach 15 Kilometer verließ er aber die Laufstrecke und schlug sich in die Büsche. Mit 7 Läufern konnten wir die Geschwindigkeit halten bis uns Volker nach 20 Kilometern einholte und das Tempo wieder vorgab.

Die zweite Rennhälfte

Nach 21 Kilometern verließen wir die Landstraße und liefen über einen asphaltierten Feldweg in den Wald hinein. Meine Halbmarathonzeit lag bei 1:59 Std. Ein bisschen mulmig wurde mir schon als ich die Zeit auf der Uhr ablas. Schließlich bedeutete das, dass ich die zweite Rennhälfte in ungefähr dem gleichen Tempo wie die erste laufen musste. Bisher war es ja immer so gewesen, dass ich im Verlaufe des Marathons langsamer wurde. Das durfte mir diesmal nicht passieren.

Unsere Gruppe war geschrumpft. Mit einigen Metern Abstand folgte uns nur noch ein dritter Läufer. Ansonsten war niemand in der Nähe. Ich lief weiter neben Volker her. Mir fiel sein stakkatoartiger Laufschritt auf. Tok-Tok-Tok, er lief sehr regelmäßig ohne auch nur einmal aus dem Rhythmus zu kommen. Wie ein Uhrwerk. Ich verließ mich vollkommen auf ihn und schaute nur selten auf meine Laufuhr. Hinter den Verpflegungspunkten wartete ich sogar teilweise auf Volker, da er meistens länger als ich brauchte. Bei Kilometer 30 meinte er, dass jetzt der Marathon erst richtig beginne. Ich antwortete ihm, dass es nur noch 12 Kilometer wären. Wie sich zeigte, behielten wir beide recht.

Bisher hatte ich, beginnend ab dem 15. Kilometer, alle 5 Kilometer ein Gel zu mir genommen. Bei Kilometer 32 und 34 saugte ich kurz hintereinander 2 Gels in meinen Körper hinein. Jetzt brauchte ich genügend Energie, ich durfte auf keinen Fall langsamer werden. Kurz danach fiel ich 2-3 Meter hinter Volker zurück. Ich machte einige schnelle Schritte um wieder zu ihm aufzuschließen. Ich sagte ihm, dass ich auf keinen Fall den Kontakt zu ihm abreißen lassen möchte. Volker meinte nur, wenn ich ihm 35 Kilometer gefolgt wäre, würde ich den Rest auch noch schaffen.

So ganz sicher war ich mir da nicht. Ich merkte, dass sich unter meinem linken Fuß eine dicke fette Blase bildete. Ich musste mich konzentrieren um mit ihm Schritt zu halten und versuchte ein Langsamerwerden zu verhindern. Bei Kilometer 38 nahm ich mein letztes Gel. Kurz dahinter kam noch eine Verpflegungsstation. Ich nahm je ein Becher Cola, Isogetränk und Wasser zu mir, während Volker zu meiner Überraschung weiterlief. Bisher hatte er keinen Verpflegungspunkt ausgelassen. War die 4 Stunden-Marke etwa in Gefahr?

Ein Blick auf die Uhr beruhigte mich. Wir waren noch voll im Zeitplan. Allerdings gab es auch keine große Reserve. Ein Sturz oder ein anderes Ereignis mit Zeitverlust konnte meinen Marathon unter 4 Stunden noch gefährden. Mein rechter Arm fing an zu schmerzen. Kündigte sich da etwa ein Krampf an? Ich ließ ihn einen Moment hängen. Nein, das ging nicht. Mit hängendem Arm würde ich langsamer werden. Ich wollte die 4 Stunden-Marke unbedingt unterbieten. Ich nahm den Arm wieder hoch und lief weiter an Volkers Seite.

Der Zieleinlauf

Bei Kilometer 40 liefen wir wieder in den Ort Kandel ein. Noch 2 Kilometer. Wenn jetzt nichts mehr passiert, würde ich mein großes Ziel erreichen. Plötzlich spürte ich ein Stechen in der rechten Wade. Ich versuchte ruhig zu bleiben und lief konzentriert weiter. Das Stechen ließ nach, ich konnte das Tempo halten. Jetzt waren es nur noch wenige hundert Meter bis zum Ziel. Wir liefen in das Bienwaldstadion ein und nahmen die Tartanbahn unter die Füße. Ich beschleunigte etwas und Volker ließ mich vorlaufen.

Vor mir war noch ein Läufer. Ob ich den noch einholen konnte? Der Läufer merkte, was ich vorhatte und hielt dagegen. Einige Meter vor dem Ziel machte ich einige schnelle Schritte, überraschte ihn damit und lief tatsächlich noch vor ihm über die Ziellinie. Im Grunde genommen war es aber völlig egal. Ich blickte auf meine Uhr. Ich hatte 3:59:03 Std. gebraucht und damit meinen ersten Marathon unter 4 Stunden gefinisht. Ich hatte es vollbracht.

Nach dem Marathon

Nach dem Zieleinlauf bedankte ich mich noch bei Volker, der kurz hinter mir über die Ziellinie lief. Ohne ihn hätte ich den Marathon unter 4 Stunden nicht geschafft. Da war ich mir ganz sicher.

Ich ging langsam zur Verpflegungsstelle, trank etwas Tee und aß einige Orangenstücke. Mein Gang war ziemlich wacklig, ich konnte mich gerade so auf den Beinen halten. Ich suchte nach einer Sitzgelegenheit fand aber keinen freien Stuhl. Deshalb ging ich weiter in Richtung Bienwaldhalle. Da war eine Treppe auf der ein einzelner Läufer saß. Er machte mir Platz und erzählte, dass er direkt hinter mir gelaufen war. Ich hätte einen tollen Laufrhythmus gehabt. Kein Wunder, ich hatte mich so stark an Volker orientiert, dass ich auch seine Taktfrequenz übernahm.

Wir konnten uns leider nicht lange unterhalten. Egal, wie ich mich hinsetzte, bekam ich nach einiger Zeit einen Krampf in der rechten Wade. Nachdem ich meine Kleidung abgeholt hatte und einige Euro für die Jugendkasse gespendet hatte, machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Google Maps rechnete eine Gehzeit von 5 Minuten aus, ich brauchte aber eine Viertelstunde dafür.

Mein erster Marathon unter 4 Stunden

Bevor ich meine Finisherzeit posten konnte, ging schon der erste Glückwunsch von Corina ein. Auch meine Vereinskameraden gratulierten mir. Auf Facebook und auf Twitter gab es massenweise Likes.

Der Schmerz vergeht, aber der Stolz bleibt. Selten war dieser Spruch so passend wie an diesem perfekten Lauftag. Ich hatte ein Ziel erreicht, für das ich 4 Jahre trainiert hatte. Den ersten Marathon unter 4 Stunden!

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Erik betreibt dieses Laufblog und ist ein begeisterter Läufer. Er trainiert vier- bis fünfmal die Woche, startet bei Lauf-Wettkämpfen und bei Parkruns. Wenn du ihn triffst und er läuft gerade nicht, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Verwechslung 😉

2 Kommentare

  • Daniel | Sports-Insider

    Herzlichen Glückwunsch, Erik. Die 4h sind ja schon mal eine gute Hürde, die Du jetzt genommen hast. Respekt! Aber eine Frage – hast Du von dem 38km-Gel noch was gemerkt? Das dauert ja eigentlich immer ein bisschen, bis das wirkt und ich habe es noch nie so spät probiert. Vielleicht werde ich dann auch nochmal etwas schneller??? LG, Daniel

    • Erik

      Danke für den Glückwunsch. Ich kann dir nicht genau sagen, ob das Gel noch was gebracht hat. Vielleicht ja beim Schlussspurt 😉 Ich wusste, dass ich noch 1 Gel übrig hatte und wollte alles tun um genug Energie zu haben. Deshalb habe ich es eingenommen. Ich habe mir ehrlich gesagt gar keine Gedanken darüber gemacht, ob es seine Wirkung noch entfalten kann oder nicht.

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