Preisverleihung beim Vereinswettbewerb Sterne des Sports. Juliana Löffler und Hans-Reinhard Hupe stehen zusammen mit anderen Preisträgern neben Bundeskanzler Olaf Scholz.
Interview

Doppelsieg bei „Sterne des Sports“

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Juliana Löffler und Hans-Reinhard Hupe betreiben das Guidenetzwerk Deutschland. Das ist ein Vermittlungsservice, mit dem blinde Läufer einen Laufpartner finden können. Zusammen mit ihrem Verein LAC Eichsfeld bewarben sich die beiden für die Sterne des Sports und schafften etwas, was in der Geschichte des Wettbewerbs noch niemandem gelungen war.

Im ersten Teil des Interviews stellten Juliana Löffler (JL) und Hans-Reinhard Hupe (HRH) das von ihnen gegründete Vermittlungsportal vor: Guidenetzwerk: Blinde Läufer suchen Guides. Im zweiten Teil erzählen die beiden von ihrer Teilnahme am Wettbewerb „Sterne des Sports“.

Was sind die „Sterne des Sports“?

Die Sterne des Sports sind ein Wettbewerb für Sportvereine. Sie dienen dazu, deren gesellschaftspolitisches Engagement zu würdigen. Am Anfang bewerben sich die teilnehmenden Vereine in ihrer Region. Der beste Verein erhält einen Stern des Sports in Bronze. In der nächsten Runde nehmen die Bronze-Gewinner an der Landeswertung teil und konkurrieren um die silberne Auszeichnung. Die jeweiligen Landessieger werden nach Berlin eingeladen und können dort den Großen Stern des Sports in Gold gewinnen.

Zusätzlich zur Vereinswertung gibt es auch noch einen Publikumspreis. Bei dieser Wertung können alle Bürger abstimmen und ihre Stimme der Person geben, die sich ihrer Meinung nach am meisten engagiert hat.

Die Sterne des Sports werden seit 2004 verliehen und bisher kam es noch nie vor, dass beide Preise an den gleichen Verein gingen. 2024 wurde diese goldene Regel zum ersten Mal gebrochen. Der LAC Eichsfeld gewann in der Vereinswertung den goldenen Stern des Sports und Vereinsmitglied Juliana Löffler gewann als Gründerin des Guidenetzwerks den Publikumspreis.

Der Sieg bei den Sternen des Sports war ein Glücksfall für uns.

Juliana Löffler

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch für den Wettbewerb Sterne des Sports anzumelden?

JL: Das Guidenetzwerk finanziert sich über Spenden. Die Anschubfinanzierung lief über die Aktion Mensch. Irgendwann war das Geld aufgebracht. Danach haben uns die Sparkasse und die Volksbank mit Spenden unterstützt. Letztere hat uns angerufen und den Tipp gegeben, dass wir uns bei Sterne des Sports bewerben sollen. Das wäre ein Wettbewerb des DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) und wir sollten uns daran beteiligen. Insgesamt haben 1.100 Vereine mitgemacht und am Ende haben wir den goldenen Stern des Sports gewonnen.

Das war natürlich ein Glücksfall für uns. Und zwar weniger wegen des Gewinns an sich, sondern eher wegen der zusätzlichen Medienpräsenz, die unseren Bekanntheitsgrad erhöht hat. Außerdem haben wir die Volksbanken als Sponsoren gewonnen. Die finanzieren uns eine Handyapp.

HRH: Über die Handyapp können die blinden Läufer und die Guides direkt miteinander Kontakt aufnehmen. Bisher läuft die Vermittlung über Juliana. Wenn die Teilnehmerzahlen aber weiterhin steigen, ist das nicht mehr von einer Person zu leisten. Im Moment braucht sie schon jeden Tag 2 bis 3 Stunden dafür. Durch die Nutzung einer Handyapp erhoffen wir uns eine große Zeitersparnis.

Mit wie vielen Leuten seid ihr zur Preisverleihung nach Berlin gefahren?

JL: Wir waren mit 12 Personen dort. Es war ein ganz besonderes Erlebnis. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut. Die Sterne des Sports sind der Oscar des Breitensports. Was Höheres gibt es in diesem Bereich nicht mehr.

Wo habt ihr die Trophäe untergebracht?

JL: Wir haben kein Vereinshaus. Deshalb steht sie bei uns zu Hause. Wir würden gerne auch andere daran teilhaben lassen, aber wir haben leider keinen anderen Platz.

HRH: Sie steht bei uns zu Hause im Safe, damit keiner auf die Idee kommt uns die schöne Trophäe zu klauen.

Den Preis hat euch Bundeskanzler Olaf Scholz verliehen. Wie lief die Preisübergabe ab?

HRH: Er war zwar in Zeitdruck, hat sich aber trotzdem Zeit für uns genommen. Er hat uns auch die Gelegenheit gegeben, Fotos mit ihm zu machen.

JL: Wir hatten aber keine Gelegenheit mit ihm über die Förderung des Blindensports zu reden. Die Preisverleihung war eine riesige Veranstaltung und die Zeit war begrenzt. Eigentlich hätte er schon fort gemusst, aber er hat trotzdem noch gewartet, bis alle Vereinsmitglieder auf der Bühne waren und wir ein Foto machen konnten. Das ging nicht so schnell wie es sich anhört. Um nochmal auf die Bühne zu kommen, mussten wir wieder durch die Sicherheitsschleusen gehen. Danach hat er uns noch erzählt, dass seine Frau bei den Special Olympics eine Sportlerin betreut hat.

Was habt ihr mit den Preisgeldern vor?

JL: Wir haben für den Sieg im Vereinswettbewerb 10.000 Euro bekommen und ich habe für den Erfolg beim Publikumspreis noch 2.000 Euro erhalten, die aber auch in das Guidenetzwerk fließen. Mit dem Geld wollen wir die Website barrierefrei gestalten. Es kam schon öfters vor, dass Blinde dachten, sie hätten sich registriert. Die Anmeldung war aber nicht bei uns eingegangen. Wir wollen auch noch weitere Sportarten einbinden. Wir haben Programmierer gefunden, die die Umgestaltung in ihrer Freizeit machen, damit der Umbau nicht ganz so teuer wird.

Wir brauchen auch noch Geld um neue Kennzeichnungswesten, Führbändel und Handbüchlein zu kaufen. Für unsere Guideschulungen bekommen wir zwar kein Honorar, es fallen aber Sprit- und Übernachtungskosten an. Das Preisgeld reicht natürlich nicht ewig. Deshalb sind wir weiterhin auf Spenden angewiesen.

Wir sind geadelt worden.

Hans-Reinhard Hupe

Hattet ihr nach der Preisverleihung noch weitere Radio- und Fernsehauftritte?

JL: Wir waren im ZDF und bei Regional Thüringen. Das ist eine MDR-Sendung.

HRH: Das Guidenetzwerk hat eine große Aufmerksamkeit erhalten und die Resonanz war riesig. Wir sind durch den Stern des Sports geadelt worden. Wir haben weiterhin unsere Arbeit gemacht, aber die Wertigkeit war durch die Medienaufmerksamkeit auf einmal viel höher.

JL: Wir wurden anfangs eher belächelt und nach der Preisverleihung kamen die Unterstützungsangebote. Wir waren auch zu Gast in mehreren Podcasts und beim Radio Eichsfeld. In der Zeit nach der Preisübergabe hatten wir 140 Anmeldungen. So viele haben wir normalerweise in einem halben Jahr.

Das Guidenetzwerk ist ein Segen

Hans-Reinhard, welche Sinne sind bei dir beim Laufen besonders aktiv?

HRH: Ich nehme meine Umwelt über das wahr, was ich höre und was ich rieche. Der Gehör- und der Geruchssinn sind bei mir verschärft. Wenn ich im Wald an einem Holzstapel vorbeilaufe, dann bemerke ich den auch, obwohl ich ihn nicht sehen kann. Ich spüre an meinem Ohr eine Reflexion, wenn ich daran vorbeilaufe und nehme auch den Geruch wahr.

Für uns blinde Menschen ist das Guidenetzwerk ein Segen. Wir würden ansonsten nur zu Hause sitzen und könnten keinen Sport machen. So kann ich auch an Volksläufen teilnehmen. Das ist ein wahnsinniges Gefühl, wenn ich dabei sein kann. Wenn der Startschuss fällt und ich bin dabei, bekomme ich eine Gänsehaut.

Wie läuft ein Volkslauf für dich ab?

HRH: Der Start eines Volkslaufes ist ja auch schon für Sehende schwierig. Manche Läufer bleiben stehen, manche sind falsch eingeordnet. Sie stehen zu weit vorne, weil sie eine Bestzeit laufen wollen. Das ist für mich ein Problem, weil ich schlecht überholen kann. Zusammen mit meinem Guide bin ich ja doppelt so breit. Es ist einfacher für mich, wenn ich überholt werde. Ich kläre deshalb mit den Veranstaltern ab, dass ich als Blinder nicht so weit hinten stehen muss.

Mein Guide und ich tragen Kennzeichnungswesten. Wegen des Führbändels können wir nicht hintereinanderlaufen, sondern müssen nebeneinanderlaufen. Wir haben beim Laufen eine größere Aufmerksamkeit und es gibt auch viel Unterstützung durch die Zuschauer.

Wir versuchen bei den Veranstaltern zu erreichen, dass der Guide kostenlos mitlaufen kann. Er kann ja nicht sein eigenes Tempo laufen, sondern er läuft für den blinden Menschen. Außerdem investiert er seine Zeit und eventuell entstehen ihm noch Fahrt- und Übernachtungskosten. Der Blinde bezahlt natürlich seinen Lauf, aber für den Guide wäre es gut, wenn er sich kostenlos anmelden könnte.

JL: Viele Veranstalter praktizieren das auch schon. Wenn wir mitbekommen, dass der Guide seinen Lauf zahlen soll, rufen wir auch mal an und erklären es den Organisatoren. Manchmal heißt es, der Guide bedient sich ja auch an den Verpflegungsstellen. Wir sagen dann, dass er nur ein Helfer ist und selbst von dem Lauf nichts hat.

Was würdet ihr zum Schluss noch gerne sagen?

JL: Wir freuen uns über jeden, der sich bei unserem Guidenetzwerk anmeldet. Blinde bzw. Seheingeschränkte können eine Anfrage stellen. Wir brauchen aber auch Guides. Selbst wenn wir nicht sofort einen passenden Partner für ihn haben, ist die Anmeldung wichtig. Die Sichtbarkeit erhöht sich und wir können bei Bedarf auf ihn zurückgreifen.

Meine Meinung zum Guidenetzwerk

Hans-Reinhard hat ja gemeint, dass das Guidenetzwerk Deutschland ein Segen für blinde Läufer sei. Ich habe vor einigen Monaten einen Blindenguide-Workshop mitgemacht und seitdem einige Blinde kennengelernt. Ich kann seine Worte nur bestätigen. Die blinden Läufer sind auf Guides angewiesen und sind für jeden dankbar, der sie begleitet. Dirk macht fast jeden Samstag beim Parkrun in Neckarau mit und findet immer einen Guide, der mit ihm läuft.

Die beiden Auszeichnungen beim Stern des Sports sind meiner Meinung nach voll verdient. Ich denke, die Preise hätten an keine bessere Initiative vergeben werden können. Durch das Guidenetzwerk können blinde Läufer ihren Sport ausüben und sind auch sozial integriert. Ohne Guides müssten sie zuhause bleiben und würden dort versauern.

Wenn ihr das Guidenetzwerk unterstützen wollt, dann meldet euch dort als Guide an. Ihr müsst nicht unbedingt jede Woche einen blinden Läufer begleiten. Es reicht auch, wenn ihr euch nur ab und zu zur Verfügung stellt. Denkt daran: Ihr könnt jederzeit ohne Begleitung laufen, ein Blinder kann das nicht.

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Erik betreibt dieses Laufblog und ist ein begeisterter Läufer. Er trainiert vier- bis fünfmal die Woche, startet bei Lauf-Wettkämpfen und bei Parkruns. Wenn du ihn triffst und er läuft gerade nicht, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Verwechslung 😉

2 Kommentare

  • Carsten Scheller

    Hallo Zusammen,

    eine Aussage muss ich etwas relativieren „Wir sagen dann, dass er nur ein Helfer ist und selbst von dem Lauf nichts hat.“

    Natürlich hat ein Einsatz als Guide nicht mit einer persöhnlichen Bestzeit zu tun. Aber wir Guides sorgen dafür, dass unsere Tandempartner an Läufen teilnehmen und Bestzeiten laufen können. Das kann genauso befriedigend sein, wie eine eigene Marke…

    Silvester 2023 bin ich beim Lauf um den Maschsee in Hannover mit meinem Partner durch das dichte Feld Slalom gelaufen und er hat über 5 km eine neue Bestzeit geschafft. Das ist eine erhebliche persöhnliche Bereicherung für mich (ähnlich wie für die Eltern, die als Schlachtenbummler dabei waren…)

    mfG
    Carsten Scheller

  • Erik

    Das ist ein wichtiger Hinweis. Der Einsatz als Guide ist ja vergleichbar mit einem Ehrenamt. Und wer sich ehrenamtlich engagiert, der weiß, dass nicht nur andere, sondern auch man selbst davon profitiert.

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