Cliff Young - der Läufer in Gummistiefeln
Laufgeschichten

Cliff Young – Der Läufer mit den Gummistiefeln

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Der Laufsport schreibt unzählige Geschichten. Es gibt Berichte über Läufer, die irrwitzige Distanzen mit tausenden Höhenmetern in den unwirtlichsten Gegenden unserer Erde zurücklegen. Aber diese Geschichte, die ich euch heute erzählen möchte, ist die unglaublichste, von der ich bisher gehört habe. Sie handelt von Cliff Young, einem australischen Farmer, der einen Ultramarathon in Gummistiefeln bestritt – und ihn gewann.

1983 wurde zum ersten Mal ein Ultramarathon ausgerichtet, der von Sydney nach Melbourne führte. Die Strecke war 875 Kilometer lang. Kurz vor dem Start wollte ein Fotograf eine Aufnahme von der Läuferschar machen. Ein alter Mann in einer Regenjacke und mit Gummistiefeln an den Füßen stand daneben. Der Fotograf bat ihn etwas zur Seite zu treten. Aber der alte Mann – er hieß Cliff Young – weigerte sich. Er war zwar schon 61 Jahre alt, aber er wollte unbedingt bei diesem Ultramarathon mitlaufen.

Als der Renndirektor davon hörte, wollte er ihn nicht starten lassen. Aber Cliff Young ließ sich nicht umstimmen. Schließlich gab der Renndirektor nach. Was konnte schon passieren? Wahrscheinlich würde der alte Mann mit den Gummistiefeln sich die Füße wund laufen und nach ein paar Kilometern aufgeben.

Wer war Cliff Young?

Sein Vater war Schafzüchter. Er besaß 2.000 Schafe, aber weder einen Traktor noch ein Pferd. Auf Wunsch seines Vaters brach Cliff Young im Alter von 13 Jahren die Schule ab, um die Schafe zu hüten. Wenn ein Gewitter drohte, musste er sie einsammeln. Er lief so lange durch die Gegend, bis er auch das letzte Schaf gefunden und zur Farm getrieben hatte.

Der Rennverlauf

Bereits wenige Minuten nach dem Start hatten die anderen Läufer einen großen Vorsprung auf Cliff Young herausgelaufen. Die Kinder verspotteten ihn. Cliff Young ignorierte sie und lief weiter. Wobei, laufen war nicht das richtige Wort. Es war eher ein Schlurfen.

Ein Wissenschaftler hatte vor dem Start die optimale Renneinteilung ausgerechnet: Die Sportler sollten 18 Stunden laufen, sich danach 1 Stunde massieren lassen und anschließend 5 Stunden schlafen. Die meisten Läufer hielten sich daran. Aber nicht Cliff Young. Er lief die ersten 24 Stunden durch, ohne eine einzige Minute zu schlafen. Wenn er müde wurde, erinnerte er sich daran, dass er beim Einsammeln der Schafe manchmal bis zu drei Tage unterwegs war.

Obwohl Cliff Young so langsam war, lag er nach dem ersten Tag an der Spitze des Feldes. Nachdem die anderen Läufer aufgewacht waren, holten sie ihn zwar schnell wieder ein. Doch Cliff Young lief einfach weiter. Am zweiten Tag des Rennens schlief er immerhin eine Stunde. Trotzdem konnte er seine Führung ausbauen. Auch an den folgenden Tagen schlief er nicht mehr als ein bis zwei Stunden.

Am sechsten Tag erreichte er Melbourne und lief als Erster über die Ziellinie. Er hatte für die 875 Kilometer 5 Tage, 15 Stunden und 4 Minuten gebraucht. Damit war er 10 Stunden schneller als der Zweitplatzierte gewesen.

Die Siegerehrung

Insgesamt erreichten nur 6 Läufer das Ziel. Bei der Siegerehrung wollte der Renndirektor Cliff Young den Hauptpreis überreichen: 10.000 Dollar in bar. Das hätte für einen Traktor gereicht. Doch der alte Mann lehnte ab. Er wusste überhaupt nicht, dass für den Sieg des Ultramarathons ein Preisgeld ausgesetzt war. Stattdessen bat er darum, das Geld unter den anderen 5 Läufern zu verteilen.

Ehrungen

Diese Gedenkstätte in Form eines Gummistiefels erinnert an Cliff Young.

Im selben Jahr wurde in Gedenken an die unglaubliche Leistung des Schafhirten ein 6-Tage-Lauf ins Leben gerufen: der Australian Six Day Race. 2003 starb Cliff Young im Alter von 81 Jahren. Im Jahr danach wurde der Titel des Ultramarathons in Cliff Young Australian Six Day Race geändert.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Laufstil von Cliff Young besonders effektiv war. Sein Schlurfen war zwar langsam, verbrauchte aber nur wenig Energie. In den folgenden Jahren gab es sogar einige Läufer, die sein Geschlurfe imitierten. Sie nannten den Laufstil „Young Shuffle“. Zu Ehren des Mannes, der den ersten Ultramarathon von Sydney nach Melbourne gewonnen hatte.

Es gibt einen englischsprachigen Dokumentarfilm aus dem Jahr 2013, der seine Geschichte erzählt. Ihr könnt ihn euch hier ansehen: Cliff – A Gandhi in Gumboots.

Die Aufschrift der Gedenktafel

Was können wir von Cliff Young lernen?

  1. Wenn du dir einer Sache sicher ist, dann ziehe sie durch. Egal, was die Anderen davon halten. Selbst dann, wenn du von ihnen dafür verspottest wirst.
  2. Wenn du bei einem Lauf aufgeben willst, dann erinnere dich daran, wie hart du dafür trainierst hast.
  3. Du brauchst nicht immer teure Laufschuhe, um eine tolle sportliche Leistung zu bringen. Manchmal reichen auch ein Paar Gummistiefel.

PS: Wenn ihr denkt, die Geschichte hört sich so unglaublich an, dass sie erfunden sein muss, dann irrt ihr euch. Es gibt sogar einen Wikipedia-Artikel über Cliff Young. Und wenn ihr seinen Namen in die Suchmaschine eurer Wahl eintippt, findet ihr zahlreiche Beiträge über ihn und seine Leistung.

Bilderquellen:
Das Titelbild habe ich mit der KI-Software Playground AI erstellt.
Gedenkstätte: Wikimedia, Autor: Mattinbgn Lizenz: CC-BY 3.0

Gedenktafel: Wikimedia, Autor: Mattinbgn Lizenz: CC-BY 3.0

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Erik betreibt dieses Laufblog und ist ein begeisterter Läufer. Er trainiert vier- bis fünfmal die Woche, startet bei Lauf-Wettkämpfen und bei Parkruns. Wenn du ihn triffst und er läuft gerade nicht, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Verwechslung ;-)

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