Wings for Life World Run
Laufberichte

Wings for Life World Run in München 2023

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Der Wings for Life World Run ist ein Lauf mit einem anderen Konzept. Das Rennen endet nicht mit dem Überschreiten der Ziellinie, sondern nachdem der Läufer von einem Auto eingeholt wurde. Gestern bin ich nach München gereist, um bei diesem Lauf zu starten. In meinem Laufbericht erfahrt ihr, wie ich abgeschnitten habe und welchen zwiespältigen Eindruck der Wings for Life World Run bei mir hinterlassen hat.

Das Konzept

Der Wings for Life World Run ist ein weltweiter Lauf, der in über 30 Städten gleichzeitig findet. Die Einnahmen (49 Euro pro Teilnehmer) fließen zu 100 % in die Rückenmarksforschung. In Deutschland findet dieser Lauf in München statt. Der Startort ist der Olympiapark. Wer nicht nach München fahren will, kann sich auch eine Handyapp herunterladen und virtuell teilnehmen.

Der Wings for Life World Run ist aber kein normaler Volkslauf mit einer festgelegten Ziellinie, über die die Läufer laufen müssen. Eine halbe Stunde nach dem Laufbeginn startet ein sogenanntes Catcher Car. Dabei handelt es sich um ein Auto, das die Läufer verfolgt. Das Catcher Car fährt mit einer Geschwindigkeit von 14 km/h los. Alle halbe Stunde erhöht sich das Tempo. Anfangs nur um 1 km/h, später um 4 km/h. In dem Moment, in dem der Läufer vom Catcher Car überholt wird, ist das Rennen für ihn zu Ende.

Laut dem Veranstalter waren in München 12.000 Läufer und Läuferinnen am Start. Weltweit gab es über 200.000 Teilnehmer.

Das Münchener Olympiastadion

Vor dem Lauf

Für mich hörte sich der Wings for Life World Run nach einem spannenden Format an und deshalb wollte ich in diesem Jahr auch dabei sein. Der Start war um 13 Uhr. Das passte für mich wunderbar. Ich fuhr morgens mit dem ICE nach München, lief mit und fuhr abends wieder mit dem ICE nach Mannheim zurück.

Mein Laufziel

Auf der Website der Veranstaltung gibt es einen Goal Calculator. Damit lässt sich berechnen, welche Pace ein Läufer beim Wings for Life World Run laufen muss, um eine bestimmte Kilometerzahl zu schaffen. Ich hatte mir vorgenommen, zumindest die Halbmarathon-Distanz zu laufen. Dafür hätte ich eine Zeit von 1:54 h laufen müssen. Meine angestrebte Pace lag somit bei 5:25 Minuten/km. Das erschien mir machbar.

Die Startblöcke

Anhand meiner Zielzeit wurde ich in Startblock 2 (von 4) eingeteilt. Eine halbe Stunde vor dem Start wurden die Abtrennungen zwischen den Blöcken entfernt. Jeder Läufer konnte sich hinstellen, wo er wollte. Es gab keine Kontrolle mehr. Vor mir standen einige Läufer, die für den Startblock 3 oder 4 eingeteilt waren. Die Pacemaker standen vorne an der Startlinie. Zumindest den Pacemaker für 20 km hätte ich im Startblock 2 erwartet.

Der Startbereich beim Wings for Life World Run

Das Rennen

Nach dem Startschuss, der sich eher nach einem Kanonenschlag anhörte, brauchte ich zwei Minuten, bis ich die Startlinie erreichte. Ich drückte die Uhr und lief los. Zumindest wollte ich es. Das Gedränge war so groß, dass ich nur langsam voran kam. Nach 500 Metern hoben einige Läufer vor mir beide Hände. Gab es einen Notfall? War etwa jemand gestürzt und hatte sich verletzt? Ich blieb einige Sekunden stehen.

Einige Meter weiter musste ich eine zweite Stehpause einlegen. Nach dem Weiterlaufen sah ich keinen Verletzten. Es gab also keinen Notfall. Anscheinend waren die Wege nicht breit genug für so viele Läufer. Deshalb kam es zu Stauungen und Stehpausen. Für den ersten Kilometer brauchte ich 6:27 Minuten. Ich hatte also gleich zu Beginn eine Minute verloren.

Wir verließen den Olympiapark und liefen auf einer öffentlichen Straße weiter. Direkt hinter mir hörte ich ein klatschendes Geräusch, gefolgt von erschrockenen Rufen. Anscheinend war ein Läufer gestürzt. Danach ging es wieder zurück in den Olympiapark. Ich trat einem Läufer vor mir in die Hacke. Ich entschuldigte mich sofort. Er nahm es gelassen, es war ihm nichts passiert. Einige Meter weiter lief er dafür in einen anderen Läufer hinein. Mir trat eine Frau auf den Vorderfuß. Es war ein Hauen und Stechen. Für eine solche Menschenmenge waren die Wege einfach nicht breit genug. Den zweiten Kilometer lief ich in 5:48 Minuten. Ich verlor also weiterhin Zeit.

Vor mir sah ich einen Läufer mit Krücken laufen. Jeder, der an ihm vorbeilief, applaudierte ihm. Als ich näher an ihn herankam, sah ich, dass er ein Shirt mit dem Aufdruck „Mein Arzt sagte mir, dass ich nie mehr laufen könne“ trug. Ich sah auf meine Uhr. Für den dritten Kilometer brauchte ich 5:37 Minuten. Als ich wieder nach vorne schaute, sah ich ein mobiles Verkehrsschild direkt vor mir. Ich machte einen schnellen Sprung zur Seite. Das war knapp. Keine Ahnung, warum dieses Verkehrsschild mitten auf der Straße stand.

Ein Teil der Strecke des Wings for Life World Runs

So allmählich lockerte sich das Feld auf und das Gedränge ließ etwas nach. Meine Pace pendelte sich zwischen 5:25 und 5:30 Minuten je Kilometer ein. Schneller konnte ich aber nicht laufen. Dafür reichte der Platz nicht. Wir verließen den Olympiapark und liefen auf öffentlichen Straßen weiter. Bei Kilometer 7 sah ich vor mir eine Absperrung. Da konnten die Läufer nur einzeln daran vorbeilaufen. Direkt dahinter bog die Strecke in einem 90°-Winkel nach links ab. Am Ende der Abbiegung stand die erste Verpflegungsstation. Ich sah sie zu spät und konnte mir gerade noch am letzten Tisch einen Becher Wasser schnappen. Hatte ich das Hinweisschild auf die Tränke übersehen oder gab es keins?

Jemand tippte mir von hinten auf die Schulter. Lief hier etwa ein Bekannter von mir mit? Ich drehte mich um und sah in das strahlende Gesicht einer jungen Läuferin. „Schönes Shirt“, meinte sie nur. Tatsächlich, sie trug genauso wie ich das Laufshirt vom Heidelberger Halbmarathon. Ein lustiger Zufall.

Bei Kilometer 9 gab es bereits die nächste Verpflegungsstation. 30 Meter davor stand ein Hinweisschild. Das war zwar etwas spät, aber immerhin gab es diesmal eines. Wir kamen am Botanikum vorbei. Es ging einen kleinen Hügel hinauf. Einige Läufer gingen ihn hoch. Danach ging es wieder flach weiter. Ab und zu überholte uns ein Rennrollstuhl-Fahrer und wurde von den Läufern mit einem Applaus verabschiedet.

Nach 12 Kilometern lockerte sich das Feld weiter auf. Ich hatte zum ersten Mal einige Meter Platz vor mir. Ich lief schneller und versuchte etwas Zeit gutzumachen. Den 13. Kilometer schaffte ich in 5:16 Minuten. Das sollte meine beste Pace an diesem Tag bleiben. Bei Kilometer 14 stand die nächste Verpflegungsstation. Das Hinweisschild darauf lehnte am ersten Tisch. Da hätte man es auch gleich ganz weglassen können.

Bei Kilometer 18 kam eine weitere Verpflegungsstation. Die Dichte an Tränken war wirklich vorbildlich. Bei 21° C im Schatten und schwülem Wetter waren sie aber auch notwendig. Als ich mir einen Becher Cola holte, hörte ich einen Helfer sagen, dass das Catcher Car nur noch zwei Minuten entfernt wäre. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich lief schnell weiter. Nach 300 Metern sah ich nach hinten. Ich sah eine lange Schlange an Läufern hinter mir, aber kein Auto. Hatte der Helfer vielleicht nur einen Spaß gemacht?

Kurz vor dem 19. Kilometer hörte ich ein Brummen. Einige Radfahrer überholten uns und riefen uns zu, dass wir rechts bleiben sollten. Das Catcher Car würde gleich kommen. Ich lief noch etwas schneller. Einige Polizei-Motorräder fuhren an uns vorbei. Direkt vor mir lief eine Läuferin, die deutlich langsamer als ich war. Ich konnte sie aber nicht überholen, da die linke Straßenseite gesperrt war. Danach fuhr das Catcher Car an mir vorbei. Nach 19,75 Kilometern war der Wings for Life World Run für mich zu Ende.

Das offizielle Shirt des Wings for Life World Runs

Nach dem Lauf

Ich hörte mit dem Laufen auf und ging zu Fuß weiter. Die Stimmung bei den Läufern war etwas gedrückt. Anscheinend war ich nicht der einzige, der sich eine bessere Leistung erhofft hatte. Es war aber auch wirklich tragisch, dass wir so kurz vor der 20-Kilometer-Marke überholt wurden. Nach 1,5 Kilometern Fußmarsch kamen wir bei den Bussen an. Ich hätte gerne etwas zu trinken gehabt, aber es gab nichts.

Als ich in den Bus einsteigen wollte, sah ich, dass er fast voll war. Die Läufer standen dicht gedrängt. Passte ich noch hinein? Ja, gerade so. Aber ich war mir sicher, dass für weitere Personen kein Platz mehr war. Von außen hörte ich jemand hineinrufen, dass wir enger zusammenrücken sollten. Wir gaben unser Bestes und tatsächlich stiegen noch weitere 5 bis 6 Läufer ein. Der Bus war jetzt gerappelt voll. Ich beneidete die Ölsardinen, die in ihrer Dose mehr Platz hatten als die Läufer in diesem Fahrzeug.

Während der Fahrt wurde einem Läufer schlecht. Ein Sitzplatz wurde für ihn frei gemacht. Wir ruckten hin und her, damit er dorthin gelangen und sich setzen konnte. Nach einer halben Stunde Fahrt kamen wir am Olympiastadion an. Eine knappe Stunde nach dem Laufende gab es jetzt endlich etwas zu trinken. Als Verpflegung gab es nur Äpfel. Vorher wurden auch Bananen verteilt, aber die waren zwischenzeitlich ausgegangen.

Nach dem Duschen ging ich zur U-Bahn-Station. Dort holte ich mir ein belegtes Brötchen. In der U-Bahn sah ich einige Läufer, die Medaillen umgehängt hatten. Ich hatte keine bekommen. Hatte ich sie übersehen oder waren die etwa auch ausgegangen?

Mein Fazit zum Wings for Life World Run

Auf dem Nachhauseweg ließ ich den Wings for Life World Run nochmals Revue passieren. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Dinge fielen mir ein, die nicht gepasst hatten.

Auf den ersten Kilometern waren die Wege nicht breit genug gewesen, um 12.000 Läufer durchzuschleusen. Die Veranstalter hätten entweder eine andere Strecke wählen oder die Teilnehmerzahlen reduzieren müssen. Auch wenn das einen geringeren Spendenerlös bedeutet hätte.

Es ist natürlich eine tolle Sache, dass die gesamten Startgelder an die Rückenmarksforschung gespendet wurden. Insgesamt kamen so 5,8 Millionen Euro zusammen. Andererseits heißt das aber auch, dass die Veranstaltungskosten des Wings for Life World Run von Sponsoren getragen werden müssen. Und da wurde an der einen oder anderen Stelle gespart.

War es wirklich nicht möglich mehr Busse zur Verfügung zu stellen, damit die Läufer sich nicht so reinquetschen mussten? Ist die Corona-Pandemie schon wieder so lange her, dass sich niemand mehr Gedanken über eine mögliche Ansteckung machte? War es nicht möglich, jedem Läufer, der in den Bus stieg, eine Flasche Wasser in die Hand zu drücken? Reichten die Sponsorengelder wirklich nicht aus, um jeden Läufer mit einer Brezel und einem Müsliriegel zu versorgen? Oder zumindest mehr Bananen zur Verfügung zu stellen? Ich landete in München bei den Männern auf Platz 1.641 und war somit im vorderen Mittelfeld platziert. Wie konnte es sein, dass es bei meiner Ankunft im Olympiapark bereits keine Bananen mehr gab?

Ich habe den Eindruck, dass den Veranstaltern eventuelle Einsparungen wichtiger waren als die Gesundheit der Teilnehmer.

Auch der sportliche Wert des Wings for Life World Run ist eher niedrig anzusetzen. Das Catcher Car startete 30 Minuten nach dem Startschuss. Ich brauchte zwei Minuten bis zur Startlinie. Dadurch verringerte sich mein Vorsprung auf 28 Minuten. Ich hätte also von Anfang an zwei Minuten aufholen müssen, um mein Halbmarathon-Ziel erreichen zu können. Dazu kam noch das Gedränge auf dem ersten Teil der Strecke. Im Grunde hatte ich keine Chance gehabt, die 21,1 Kilometer zu schaffen.

Ich hatte nicht geplant, einem Pacemaker zu folgen. Aber wenn ich es vorgehabt hätte, hätte ich erst zwei Minuten gegenüber dem 20-Kilometer-Pacemaker aufholen müssen, um ihn einzuholen. Der startete ja ganz vorne im Feld. Ein gleichmäßiges Laufen wäre somit nicht möglich gewesen.

Mein Fazit zum Wings for Life World Run fällt gemischt aus. Einerseits war es eine etwas andere Laufveranstaltung mit einem spannenden Konzept und es wurden viele Spenden für den guten Zweck gesammelt. Andererseits wurde aber an der falschen Stelle gespart und der sportliche Wert der Veranstaltung war gering. Ich bin froh, dass ich mal mitgemacht habe, aber ich werde nicht nochmal nach München fahren, um beim Wings for Life World Run anzutreten. Da unterstütze ich lieber einen regionalen Halbmarathon mit meinem Startgeld.

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Erik betreibt dieses Laufblog und ist ein begeisterter Läufer. Er trainiert vier- bis fünfmal die Woche, startet bei Lauf-Wettkämpfen und bei Parkruns. Wenn du ihn triffst und er läuft gerade nicht, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Verwechslung ;-)

2 Kommentare

  • Sven

    Hi Erik, danke für diesen ehrlichen Bericht vom Münchner WingsForLife.
    Der WingsForLife ist eine super Sache. Allerdings, schreckt mich so einiges ab, was du in deinem Bericht schilderst. Wundert mich nicht das jemand bei der enge in den Bussen Probleme bekomme hat. Nur gut das es nicht noch wärmer war. Ich hatte auch schon überlegt den Lauf in München einmal zu machen. Aber nach deinen Schilderungen laufe ich lieber weiterhin virtuell mit. So kann ich spenden und erspare mir das ganze drum herum.
    LG Sven aus Freiburg

  • Oliver

    Ein ehrlicher Bericht, der mich auch in Zukunft davon abhalten wird solche Mega-Veranstaltungen mitzumachen. Da haben die Veranstalter in München offenbar leicht den Fokus verloren. Nach dem Startschuss nicht einfach starten zu können ist ja die eine Sache (und nervt mich schon gehörig), aber das nachher auch alles nur semi war, das ist schon etwas bitter.
    Ich beib auch lieber beim App-Run, da stört mich niemand beim Kilometer sammeln und ich war trotzdem Teil der ganzen Aktion.

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